Vogel, Johann Christoph

La Toison d’or

Tragédie lyrique, 2 CDs

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Glossa GCD 921628
erschienen in: das Orchester 04/2014 , Seite 74

Zwei Opern schrieb Johann Christoph Vogel während seiner kurzen Lebenszeit: Démophon und zuvor La Toison d’or, beide nach Textvorlagen des damals einflussreichsten Pariser Librettisten Philippe Desriaux. La Toison d’or (Das goldene Vlies) kam am 5. September 1786 in der Pariser Académie Royale de musique heraus, hielt sich aber nur zwei Monate mit neun Aufführungen im Spielplan. Versuche der Gluckisten, das Werk des jungen deutschen Komponisten in Paris zu unterstützen, scheiterten schließlich an der Übermacht der Anhänger Piccinis und Sacchinis. Ein zweiter Versuch, das Werk im Todesjahr Vogels 1788 unter anderem Namen und mit auf das Drama abgestimmten Balletten erneut zu etablieren, war ebenfalls wenig erfolgreich und so geriet La Toison d’or in Vergessenheit.
Vogel stand ganz und gar in der Tradition Glucks; beginnend mit der Wiederbelebung der Antike für die Opernbühne bei der Stoffauswahl – Vogel vertonte einen Teil der Argonautensage –, sich fortsetzend im musikdramatischen Ausdruck und mit der Widmung der Partitur an den verehrten Meister endend.
Stärken und Schwächen von Libretto und Partitur, die die zeitgenös-
sische Kritik hervorgehoben hatte, sind im Kontext der opernästhetischen Auseinandersetzungen zwischen Gluckisten und Piccinisten zu interpretieren und spielen für eine heutige Bewertung keine Rolle mehr. Gerade in Vogels Partitur finden sich Innovation und Originalität, die im französischen Opernbetrieb der Zeit ihresgleichen suchten, auch zurückzuführen auf Vogels Kenntnis von Orchestrierungstechniken der Mannheimer Schule, die er sowohl in der Ouvertüre als auch in den Chören ausgiebig demonstriert. Besonders in Szenen, die übernatürliche Vorgänge oder außergewöhnliche Naturereignisse darstellen, beeindruckt Vogels Musik außerordentlich. Ob es das Kolorit der düsteren Kirchengesänge beim Tod der Hypsipyle ist oder die auf die Romantik vorausweisenden Harmonien und Klangfarben während Medeas Verwünschungen, die Virtuosität des Orchesters in der Gewitterszene im zweiten Akt oder die Schlachtenmusik im dritten Akt; stets ziehen die Raffinesse in der kompositorischen Bearbeitung und die Intensität des musikalischen Ausdrucks den Hörer in ihren Bann – auch heute noch.
So ist es ein großes Verdienst Hervé Niquets, dieses Werk in der Fassung von 1788 mit dem Ensemble Le Concert Spirituel und dem Chor des Staatstheaters Nürnberg nach über 200 Jahren 2012 während der Gluck-Opernfestspiele in Vogels Geburtsstadt Nürnberg zur Aufführung gebracht zu haben. Davon liegt jetzt eine Einspielung auf CD vor, die sowohl von der Leistung des Orchesters als auch der durchweg jungen
Sänger überaus respektabel ist. Die musikalischen Stärken arbeitet der in historischer Aufführungspraxis bewanderte Niquet hervorragend heraus.
Mit dieser Doppel-CD-Ausgabe, die ein informatives Booklet enthält, wird eine wichtige Neuentdeckung einem breiteren Publikum zugänglich gemacht und zugleich der Blick auf die Oper unmittelbar vor der französischen Revolution geweitet.
Karim Hassan

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